Dieser Blog hat stets mehrere Ziele und Zielgruppen gleichzeitig verfolgt bzw. angesprochen. Einerseits ist so ein virtuelles Tagebuch sehr schön, um einfach der Verwandschaft zuhause regelmäßige Rückmeldung zu geben, ohne jeden einzeln anrufen zu müssen. Andererseits wollte ich aber auch immer mit diesem Blog (deutschsprachige) Studenten ansprechen, die sich für ein Studium an der University of York, speziell natürlich im Bereich Health Economics, interessieren. An dieser Stelle schlechte Nachrichten für die Verwandschaft: Heute gibt es mal keine Urlaubsbilder, sondern nur akademisches Geschwafel!
Die Ergebnisse meiner Klausuren sind zurück und nun kann ich mich endlich auch mal über die Kurse auslassen und vielleicht den einen oder anderen Tip zur Fächerwahl geben. Hier jedoch noch einmal was für die Verwandschaft: Ich hab bestanden, anscheinend sogar sehr gut. Freut euch, euer Sohn/Neffe/Nachbar/ehemaliger Kellner wird der Sozialversicherung hoffentlich nicht so schnell auf der Tasche liegen müssen. Die zurückgelegten Millionen können daher nun doch wieder fair an alle Hartz 4-Empfänger verteilt werden.
Ein kurzer Überblick, pures virtuelles Prollogehabe halt:
Applied Microeconomics 72% (20 credits)
Evaluation of Health Care 68% (20)
Health Economics 70% (20)
Clinical Decision Analysis 61% (10)
Experimental Economics 70% (10)
Applied Microeconometrics 72% (10)
Econometrics 1 61% (10)
Ach ja: Ein Schnitt über 70% kommt einem Ritterschlag gleich! Nur, um das mal einzuordnen und diese sinnlose Einteilung bis 100% zu kritisieren.
Ok, nun aber zur Substanz. Meine kurzen Kommentare richten sich speziell an Ökonomen, oder solche, die es von sich annehmen (d.h. BWLer). Meine ärztlichen und pharmazeutischen Freunde mögen mir verzeihen, aber da find ich es halt sehr schwer eine Einschätzung zu machen.
Applied Microeconomics (20 Credits):
Punktelieferant! Micro fängt ungefähr da an, wo bei den meisten Mikro 1 oder 2 aufgehört hat. Der Kurs ist in zwei Abschnitte aufgeteilt, die auch von verschiedenen Dozenten unterrichtet werden. Der erste Teil widmet sich der Theorie und neben mir neuen Sachen wie Shepard's Lemma und Roy's Identity kaut man noch einmal die ganze Theorie hinter Oligopolen, Monopolen, Versicherungstheorie, etc. durch. Mit Vorbildung in Mikro sicherlich locker zu schaffen. Der zweite Teil gleicht eher einer Erzählstunde. Lang und breit werden empirische Studien besprochen, es gibt Handouts die selbst einen Paper gleichen und der Dozent hat eine Schlafüberlebensrate von 90% (d.h. nach 20 min sind nur noch 10% der Studenten aufmerksam dabei). Nicht hingehen, Papers durchlesen, 1-2 auswählen und für die Klausur lernen.
Die Klausur selbst besteht aus acht Fragen, vier aus jedem Bereich. Man kann aus beiden Bereichen frei wählen, so dass ich zwei Theorie und eine Essay-Aufgabe gemacht habe. Insgesamt hab ich drei Theorieblöcke vorbereitet (d.h. noch einmal durchgelesen) und zwei Essays gelernt. Die Klausur war sehr berechenbar.
Man hätte anstatt Applied Micro auch Advanced Micro nehmen können. Aber man sollte sich halt überlegen, wieviel Stress man sich denn machen will. Applied Micro sind einfache Punkte!
Evaluation of Health Care (20 credits)
Ist ein Pflichtmodul, aber auch einer der Gründe, warum man überhaupt nach York geht. Die Klausur selbst war auch wieder sehr vorhersehbar, besonders, da sie in zwei Bereiche aufgesplittet ist. Man muss eine Frage aus Bereich A (Studienarten, Vor- und Nachteile, etc.) und zwei aus B (ökonomische Evaluation, Wohlfahrtstheorie, QALY, etc.) beantworten. Da in Teil A drei Fragen dran kommen und in B fünf sind, empfiehlt es sich jeweils zwei aus A und drei aus B zu lernen. Damit ist man dann auf der sicheren Seite.
Die Essays, die man während des Jahres schreibt bzw. die anderen Mitstudenten schreiben sind mindestens ebenso wichtig wie der Elgar. Beides gibt einem schnell nen Überblick und kann auch schon einmal als komplette Vorbereitung für die Klausur herhalten :)
Health Economics (20 credits)
Wieder ein Pflichtmodul, wieder einer der Gründe, warum man sich York ausgesucht hat. Auch hier super Dozenten, Detailwissen wird gefördert und gefordert aber auch der allgemeine Überblick kommt nicht zu kurz. Die Klausur beinhaltet acht Fragen, aus deinem man drei auswählen muss. Sicherlich eines der aufwändigsten Module, da hier etwas mehr Variation möglich ist. Wenn man aber genau hinguckt, merkt man schnell, dass immer eine oder zwei Fragen zum Thema Wartezeiten und Krankenhausvergütung dran kommen. Übergewicht ist auch immer ein heißes Thema für die Klausur. Somit kann man da auch schon einmal eine Vorauswahl treffen. Persönlich fand ich das eine der schwierigsten Klausuren!
Clinical Decision Analysis (10 credits)
Pflichtmodul, aber sicherlich eines der spaßigsten. In Gruppenarbeit wird in Excel ein Modell zur Evaluation verschiedener Therapieoptionen bei gegebenem Krankheitsbild konstruiert und dann QALYs berechnet, Wahrscheinlichkeiten verkettet, etc. Sehr cool, hat wohl auch allen viel Spaß gemacht.
Die "Klausur" ist dann ein Essay mit 3.000 Wörtern (oder war es weniger?), in dem man dann das Gefundene aufarbeitet und präsentiert. Bestimmt eine gute Übung, falls man mal Paper schreiben soll, denn als Zielgruppe wurde das BMJ angegeben. Der Abgabetermin für CDA ist auch vor den Klausuren, so dass man das schnell von der Liste streichen kann.
Experimental Economics (10 credits)
Aha, das erste und einzige richtige Wahlfach. Hier hab ich mich für Experimentalökonomie entschieden, während andere Gesundheitsmanagement, Kosten-Nutzen-Analyse oder andere Dinge gewählt haben. Mir persönlich hat der Kurs unglaublich viel Spaß gemacht und ich werde sicherlich versuchen später einmal ein paar Arbeiten in diesem Bereich durchzuführen. Die Klausur war wieder mal eine Hausarbeit in Gruppenarbeit, allerdings war hier neben kompletter theoretischer Begutachtung des Themas auch eine Skizzierung des Ablaufs des Experiments, der Darstellung am Bildschirm und möglicher Problemfelder gefordert. Viel Schweiß floss rein, viele Punkte kamen wieder raus. Absolute Empfehlung! Auch, wenn man nicht in Gesundheitsökonomie interessiert ist, denn darum ging es eigentlich in diesem Kurs nur seeeehr selten.
Applied Microeconometrics (10 credits)
Ja, hier hätte man es sich mit Econometrics 2 einfacher machen können. Aber wir sind ja hart im Nehmen und außerdem wurde der Kurs vor ein paar Jahren ja extra von Andrew Jones für die Gesundheitsökonomen angelegt.
Die Kurzzusammenfassung lautet: Der Dozent war richtig schlecht, wir mussten uns alles selbst erarbeiten, haben dementsprechend aber anscheinend auch viel richtig gut verstanden (hinterher...). Das Thema ist für ambitionierte Gesundheitsökonomen sicherlich wertvoll, denn hier geht es um die ökonometrische Behandlung von Panel Daten, d.h. vielen Individuen über einen beschränkten Zeitraum. Wenn man sich solche Studien wie das Sozioökonomische Panel (SOEP) anguckt, weiß man auch, warum!
In der Klausur gibt es sechs Fragen und wie wir festgestellt haben, gab es auch sechs Themen in der Vorlesung. Dementsprechen hat fast jeder etwas gepokert und nur 2-3 Themen gelernt. Wäre der Dozent auf die Idee gekommen Themen zu verbinden, hätten wir alle verloren. Ist er aber glücklicherweise nicht :)
Drei der sechs Aufgaben haben Theorie abgefragt, die anderen drei erforderten dann einen Essay über die Interpretation von vorgegebenen STATA-Outputs.
Econometrics 1 (10 credits)
Für mich ein voller Erfolg. Man hätte Econometrics 1 auch gegen Quantitative Analysis tauschen können, wäre dann aber noch einmal etwas früher bei Normalverteilungen, Varianzen, Standardfehlern, etc. eingestiegen. In Econometrics 1 durfte man dagegen Prof. Godfrey live erleben, sicherlich eine Legende auf dem Campus. Er entwickelt komplette ökonometrische Ansätze auf einem Folienprojektor und schmeißt nachher das Ergebnis nur achtlos in den Mülleimer, während alle Studenten sich fühlen als wären sie bei der Niederschrift der Bibel dabei gewesen.
Ich hab hier viel gelernt und würde es wieder so machen. Die Klausur besteht aus vier Aufgaben und man könnte annehmen, dass immer etwas zu OLS, Dummies, Heteroscedasticity und Autoregression dran kommt.
So, das war der Schnelldurchgang durch die Klausurrunde in York. Generell würde ich alles wieder so machen. Ich kann jedem nur empfehlen sich mit Econometrics und Microeconometrics auseinander zu setzen und würde dafür lieber auf zu viel Arbeit in Microeconomics verzichten.
Nächste Mal gibt es wieder Urlaubsbilder, versprochen! :)